Seit März 2018 läuft unter der Trägerschaft des Vereins Projekt Chance e.V. ein Projekt zur landesweiten Wiedereingliederung von älteren Gefangenen, das für den Justizvollzug in Baden-Württemberg eine wesentliche Unterstützung im Bereich der Behandlung älterer Gefangener darstellt.
Die Anzahl alter Gefangener im Justizvollzug nimmt stetig zu. Gerade bei alten Gefangenen gestaltet sich der Übergang vom Strafvollzug in die Freiheit besonders schwierig, vor allem dann, wenn körperliche Einschränkungen sowie gesundheitliche und psychische Probleme hinzukommen. Für diesen Personenkreis ist eine rechtzeitig einsetzende, standardisierte Entlassungsvorbereitung wichtig. Hierfür ist insbesondere ein umfangreiches Fachwissen vonnöten. Hier setzt das Projekt an. Spezialisierte Koordinierungsstellen übernehmen das Übergangsmanagement von alten Gefangenen und betreuen die alten Strafentlassenen bei der Nachsorge weiter.
Alte Gefangene sind darüber hinaus oftmals schwer vermittelbar, denn Alten- und Pflegeeinrichtungen fehlt spezielles Know-how zum Umgang mit Menschen, die oft jahrelang inhaftiert waren und jeglichen Anschluss an die heutige Zeit verloren haben. Verstärkt werden diese Umstände durch die Stigmatisierung des Personenkreises. Die Berichterstattung in den Medien, das Suggerieren einer stetig wachsenden Kriminalitätsbelastung sowie das Skandalisieren von Einzelfällen verstärken die Aufnahmeproblematik in den Einrichtungen der Altenhilfe. Zudem kann es Sicherheitsbedenken bei ambulanten Pflegeleistungen im Individualwohnraum geben.
Gemeinsam mit dem Netzwerk Straffälligenhilfe wird folgendes Konzept umgesetzt: Zum einen wird das Übergangsmanagement koordiniert, zum anderen werden die Gefangenen auch nach Haftentlassung weiterbetreut.
Das Netzwerk Straffälligenhilfe hat fünf Koordinierungsstellen eingerichtet, welche sich für unterschiedliche Justizvollzugsanstalten im Land verantwortlich zeichnen. Die entsprechenden Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Straffälligenhilfe verfügen über spezielle Kenntnisse in der Alten- und Eingliederungshilfe und betreuen in den Justizvollzugsanstalten Einzelfälle im Übergangsmanagement von Haft in Pflege und Betreuung.
Die Betreuung der Haftentlassenen am späteren Wohnort erfolgt im Rahmen der Netzwerkstruktur des bereits etablierten Nachsorgeprojektes Chance. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter begleiten beispielsweise bereits im Vorfeld einen Besuch in eine Altenhilfeeinrichtung und übernehmen als zentrale Funktion der Nachsorge die anschließende Betreuung der Haftentlassenen in Einrichtungen der Altenhilfe oder anderen bedarfsgerechten Unterbringungsformen, um diese bei auftretenden Problemen zu unterstützen. Angrenzende Aufgaben können darüber hinaus beispielsweise im Rahmen der Geldverwaltung und Schuldenberatung übernommen werden. Durch diese Nachsorge der Haftentlassenen werden Vorbehalte abgebaut und letztlich die Chance einer Aufnahme in einer Pflegeeinrichtung erhöht. Ebenso können im Rahmen der Nachsorge ambulante Pflegeleistungen koordiniert werden, um ein dauerhaftes Wohnen im Individualwohnraum zu ermöglichen.
In die Nachsorge werden auch Ehrenamtliche eingebunden. Diese können über Freizeitangebote und Gesprächsangebote der Isolierungs- und Vereinsamungstendenzen entgegenwirken. Für die Haftentlassenen können sie eine wichtige Orientierung im Alltag darstellen und konkrete Unterstützungsleistungen anbieten, beispielsweise bei der Begleitung zu Arztterminen etc.
Das Projekt wurde bis Mitte 2021 durch die Baden-Württemberg Stiftung und die Lechler Stiftung finanziert, anschließend durch Fraktionsmittel.
Nähere Einzelheiten entnehmen Sie auch dem Internetauftritt des Netzwerks Straffälligenhilfe Baden-Württemberg (https://nwsh-bw.de/).